Hallo! Wir sind Jonah und Nils und absolvieren momentan unser FSJ Kultur bei der Stiftung Nordfriesland. Unser Aufgabenbereich umfasst auch die KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing. Auf dieser Seite geben wir monatlich Einblick in die Arbeit auf einer KZ-Gedenkstätte mit der Hoffnung, andere Jugendliche für diese Arbeit begeistern zu können und die Wichtigkeit dieser Aufgabe hervorzuheben.
In diesem Monat möchten wir auf die Rolle von uns FSJler*innen auf der Gedenkstätte eingehen. Wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, dann stellt sich auch die Frage nach der Legitimität dieser Blogreihe: ist es berechtigt, dass wir diese Artikel schreiben und die Gedenkstättenarbeit aus unserer Sicht zu schildern?
Nils
In diesem Monat möchten wir auf die Rolle von uns FSJlern auf der Gedenkstätte eingehen. Wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, dann stellt sich auch die Frage nach der Legitimität dieser Blogreihe: ist es berechtigt, dass wir diese Artikel schreiben und die Gedenkstättenarbeit aus unserer Sicht zu schildern?
Meiner Meinung nach sind wir berechtigt, über unsere Arbeit auf der KZ-Gedenkstätte zu schreiben. Denn wir setzen uns kritisch mit dem Thema auseinander und bringen als junge Menschen neue Perspektiven und Ideen mit in die Gedenkstättenarbeit. Durch Führungen und Workshops, die wir mit organisieren und durchführen tragen wir zur politischen und kulturellen Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen bei. Darüber hinaus hilft die Arbeit auf der KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing dabei, uns selbst geschichtlich und politisch weiterzubilden. In unseren monatlichen Beiträgen beschreiben wir lediglich diese Arbeit. Ich finde, es ist gerade wichtig, sich als Deutsche mit dem Thema auseinanderzusetzen und auch darüber zu schreiben. Unsere Perspektive, die wir dabei einnehmen, kann man durchaus kritisch sehen. Doch auch wenn wir Deutsche nicht Teil einer Opfergruppe der Nationalsozialisten waren, kann man sich dennoch mit den Schicksalen der Opfer auseinandersetzen. Solange wir nicht behaupten, zu wissen, wie die Geschichte aus der Sicht der Opfer verlaufen ist, finde ich es nicht bedenklich, über unsere Gedenkstättenarbeit zu schreiben. Es geht nicht darum, die Sicht der verfolgten Menschen nachvollziehen zu können, denn das können wir nicht. Jedoch können wir versuchen zu verstehen, wie es zu der Verfolgung und Diskriminierung kam, welche Fehler in der Vergangenheit von der Gesellschaft gemacht wurden und wie man verhindern kann, dass diese nicht wiederholt werden.
Jonah
Als wir das erste Mal über die Möglichkeit gesprochen haben, dass Nils und ich als FSJler:Innen monatliche Beiträge für die Website der Gedenkstätte zu schreiben, war ich abgeneigt. Unsere Perspektive ist eine deutsche, nicht-jüdische, weiße Perspektive. Keine unserer Vorfahren wurden im Nationalsozialismus verfolgt oder ermordet. Ich war (und bin) der Meinung, dass diese Perspektive definitiv ausreichend im öffentlichen Diskurs in Deutschland vertreten ist.
Diese Perspektive beeinflusst darüber hinaus unsere Sichtweisen auf Themen, auch in der Gedenkstättenarbeit. Wir können das Erfahren von Antisemitismus und Rassismus nicht nachvollziehen. Natürlich können wir Menschen zuhören, die davon berichten, wir können dazu lesen und die Mechanismen dahinter begreifen. Aber wir können es nie nachvollziehen. Das ist nicht möglich.
Vielmehr sind wir sogar selbst heute Teil des Problems: Als weiße, nicht-jüdische Personen, die in einem mehrheitlich weißen Land leben, sind wir durch unsere Sozialisation von strukturellem Antisemitismus und Rassismus geprägt. Wir sind antisemitisch und rassistisch. Und es ist unsere Aufgabe, diese Denk- und Verhaltensmuster immer wieder zu hinterfragen und einzuordnen, um sie schließlich, im besten Fall, komplett abzulegen. Doch zu sagen, dass das Ende dieses langen persönlichen und gesellschaftlichen Prozesses bereits erreicht ist, wäre falsch und naiv.
Dementsprechend kann meiner Meinung nach diese Blogreihe durchaus kritisch gesehen werden.
Allerdings denke ich, dass in der Beurteilung dieser Frage zwei weitere Aspekte beachtet werden müssen. Zum einen berichten wir selten aus unserer persönlichen Perspektive. Wir berichten viel eher aus der Sicht von jemandem, der im Rahmen eines FSJ auf einer KZ-Gedenkstätte arbeitet. Natürlich können wir unsere persönliche Perspektive dabei nie ganz ablegen. Sie beeinflusst massiv, wie wir arbeiten und wie wir diese Arbeit wahrnehmen. Sie ist allerdings nicht der Hauptgegenstand der Blogreihe.
Zum anderen, und das halte ich für wesentlich wichtiger, sind wir uns dessen bewusst, dass wir rassistische und antisemitische Verfolgung nie nachvollziehen können werden und wir grenzen uns von dem Versuch dessen ab. Wir reflektieren die Berechtigung der Schilderungen aus der eigenen Perspektive, wie in diesem Artikel des Blogs.
Darüber hinaus lernen wir eine faktenbasierte Wissensvermittlung in der Gedenkstättenarbeit kennen und schreiben darüber. Auch diese Arbeit ist ein Beitrag im Hinterfragen von antisemitischen und rassistischen Denk- und Verhaltensmustern.