Station 11

Das Aussenlagersystem

„Wir hatten keine Ahnung, was uns bevorstand“

Wouter Rozendaal

niederländischer Häftling

Das Aussenlagersystem

Die Ausbeutung der Arbeitskraft von Häftlingen erhielt im KZ‐System ab 1942 eine immer größere Bedeutung. Auch die SS profitierte davon, dass Wirtschafts‐ und Rüstungsbetriebe die KZ‐Häftlinge in ihrer Produktion als Zwangsarbeiter einsetzten. Bis 1945 entstanden in ganz Norddeutschland im näheren Umfeld von Produktionsstätten und Baustellen insgesamt 87 Außenlager des KZ Neuengamme – eines davon bei Husum, in der Gemeinde Schwesing. Der Einsatz der KZ‐Häftlinge dort erfolgte im Auftrag des Gauleiters der NSDAP in seiner Funktion als Reichsverteidigungskommissar.

Das Außenlager HusumSchwesing

Die Häftlinge aus dem Außenlager Husum‐Schwesing mussten Panzerabwehrgräben ausheben. Sie kamen am 25. September und 19. Oktober 1944 mit zwei großen Transporten aus dem KZ Neuengamme; insgesamt haben hier etwa 2.600 Häftlinge gearbeitet.

Auf den Baustellen leisteten die Häftlinge des Lagers Schwerstarbeit; viele wurden nach kurzer Zeit krank. Die Zahl der arbeitsunfähigen Häftlinge stieg bis Ende November auf über 700 an. Bis zur Auflösung des Lagers am 27. Dezember 1944 starben in Husum‐Schwesing mindestens 297 Häftlinge.

Ein zweites Außenlager zum Bau von Panzerabwehrgräben befand sich südlich der dänischen Grenze, in Ladelund. Am 1. November 1944 verlegte die Lager‐SS 1.000 Häftlinge aus dem KZ‐Außenlager Husum‐Schwesing dorthin.

  1. Das Außenlagersystem 2:19
Station 12

Der Friesenwall als Verteidigungsanlage

„Friesenwall“ bezeichnete eine aus heutiger Sicht sinnlose Verteidigungsanlage entlang der deutschen Nordseeküste. Nach der Eröffnung der Westfront im Juni 1944 wurde ihr Bau per Führerbefehl vom 28. August 1944 mit höchster Eile vorangetrieben.

Über 25.000 Arbeitskräfte wurden in Nordfriesland im Herbst 1944 dafür eingesetzt, darunter – streng getrennt von allen anderen Arbeitern – auch 2.500 Häftlinge aus dem KZ‐Außenlager Husum‐Schwesing. Die KZ‐Häftlinge mussten, schlecht ernährt und in unzureichender Kleidung, mit Schaufeln Panzerabwehrgräben ausheben.

Zuständig für die Beschaffung der Arbeitskräfte war zunächst der Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann, später der Gauleiter für Schleswig‐Holstein Hinrich Lohse. Die bauliche Umsetzung übernahmen die Organisation Todt und Firmen aus der Region.

  1. Der Friesenwall als Verteidigungsanlage 1:19
Station 13

Lagerleitung und Bewachung

SS‐Untersturmführer Hans Hermann Griem leitete das Außenlager Husum‐Schwesing. Nachdem er im November 1944 auch die Führung des Außenlagers Ladelund übernommen hatte, vertrat ihn SS‐Oberscharführer Emanuel Eichler.

Vier weitere SS‐Männer organisierten den Lagerbetrieb sowie die Arbeit am „Friesenwall“, unter ihnen der Blockführer Josef Klingler. Ehemalige Häftlinge beschrieben ihn als Schläger und Sadisten. Etwa 200 Marinesoldaten bewachten das Lager.

Für einen reibungslosen Ablauf im Lager und bei der Arbeit hatten von der Lager‐SS eingesetzte Häftlinge zu sorgen. In dieser lebensbedrohlichen Zwangslage setzten sich manche dieser Funktionshäftlinge im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ihre Mithäftlinge ein, andere ließen sich von der SS instrumentalisieren und übten Gewalt aus.

  1. Lagerleitung und Bewachung 1:13
Station 14

Das KZ-Aussenlager in der Nachbarschaft

„Es war uns bekannt…“

Chronik der Gemeinde Vollstedt

1999

In Nordfriesland hatten die Nationalsozialisten besonders viele Anhänger. Bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 erhielt die NSDAP im Kreis Husum 68,6 Prozent der Stimmen. Bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 erhielt die NSDAP im Kreis Husum 68,6 Prozent und in einigen Dörfern sogar über 90 Prozent der Stimmen.       

Das KZ‐Außenlager lag sieben Kilometer außerhalb von Husum, gut erkennbar neben dem Flugplatz in dem Ortsteil Engelsburg der Gemeinde Schwesing. Geschäftsleute aus der Stadt und Bauern aus der Umgebung belieferten es mit Lebensmitteln. Die Husumer konnten die Häftlinge auf ihrem Weg zur Arbeit in und außerhalb der Stadt wahrnehmen. Sie wussten vermutlich auch von der hohen Sterblichkeit im Lager. Ab Mitte November brachte ein Bauer beispielsweise fast täglich die verstorbenen Häftlinge mit seinem Pferdefuhrwerk zum Husumer Ostfriedhof. Dort wurden die Toten in einem Massengrab bestattet und ihre Namen im Friedhofsregister eingetragen.

  1. Das KZ-Außenlager in der Nachbarschaft 1:30
Station 15

Woher kamen die Häftlinge?

Woher kamen die Häftlinge?

Die Häftlinge in Husum‐Schwesing kamen aus 13 Nationen. Einige waren während der deutschen Besatzung in ihrem Land im Widerstand aktiv. Andere wurden verhaftet, weil sie versuchten, der Zwangsarbeit in Deutschland zu entkommen. Die größte Häftlingsgruppe kam aus den Niederlanden. Allein 588 Männer stammten aus dem Dorf Putten, aus dem die SS sie am 1. Oktober 1944 im Zuge einer „Vergeltungsaktion“ ins KZ Neuengamme verschleppte. Weitere größere Gruppen bildeten rund 400 russische Häftlinge und mehr als 300 Franzosen. Einzelne Häftlinge kamen aus Italien, der Tschechoslowakei oder Griechenland.

Die Situation im Lager

Die ersten 1.500 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme wurden mit Güterwaggons in das Barackenlager transportiert, das für nur 400 Personen Platz bot. In den zugigen, unbeheizten Baracken mussten sich mehrere Häftlinge ein Bett teilen. Es gab keine Waschgelegenheit; als Toiletten dienten Baracken über Erdlöchern.

Die Häftlinge, die als Ärzte eingesetzt waren, konnten die Kranken ohne Medikamente und Pflegemittel nicht ausreichend versorgen. Selbst kleinere Verletzungen oder einfache Erkrankungen wie Durchfall wurden daher zu einer lebensbedrohlichen Gefahr.

Solidarität unter den Häftlingen war überlebenswichtig. Manchen Häftlingen, beispielsweise ehemaligen Aktivisten aus dem Widerstand, gelang es, sich zu organisieren und sich gegenseitig zu helfen.

  1. Woher kamen die Häftlinge? 2:02
Station 16

Die Arbeitsbedingungen

„… die Blasen … wurden zu Wunden …“

Benjamin Mørch

dänischer Häftling

Die KZ‐Häftlinge hoben mit Schaufeln und Spaten Panzerabwehrgräben für den „Friesenwall“ aus. Marinesoldaten bewachten die Häftlinge auf den Baustellen, und Häftlinge mit Aufsichtsfunktionen, sogenannte Kapos, trieben sie mit Gewalt zur Arbeit an.     

Jeder Tag begann zwischen vier und fünf Uhr morgens. Nach mehrstündigen Zählappellen folgten zwölf Stunden Arbeit. Die Arbeitsorte wechselten mit dem fortschreitenden Ausbau der Panzerabwehrgräben. In den ersten Wochen mussten die Häftlinge jeden Tag zehn Kilometer zu Fuß zur Baustelle marschieren. Später stellte die Reichsbahn Güterwagen für den Transport zum Einsatzort. Auch während der Arbeit starben Häftlinge. Mithäftlinge mussten ihre Leichen dann abends zurück ins Lager bringen.

  1. Die Arbeitsbedingungen 1:06
Station 17

Juristische Verfolgung

„Verhör – Kreuzverhör – erneutes Verhör“

Paul Thygesen

dänischer Häftling

Juristische Verfolgung

Auch im 21. Jahrhundert stehen noch ehemalige NS‐Täter vor Gericht. Durch die zeitliche Distanz zu ihren Taten kommt es allerdings zu nur noch wenigen Verurteilungen.Dimension und Umfang der im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen waren und sind ohne historischen Vergleich. Sie mit rechtsstaatlichen Mitteln zu ahnden, bedeutete für die Nachkriegsjustiz große Herausforderungen.Sie reichten von der Definition der Straftatbestände über schleppende Ermittlungen der Täter bis zu der Frage, wie eine gerechte Bestrafung der Täter aussehen könnte und wie sich diese wieder in die Gesellschaft integrieren ließen.           

Britischer Militärgerichtsprozess

Nach Kriegsende verfolgten Militärgerichte der Alliierten die NS‐Verbrechen. In dem britischen Prozess „Neuengamme Camp Case No. 4“ wurden 1947 unter anderem die im Außenlager Husum‐Schwesing begangenen Verbrechen verhandelt.

Aus Mangel an schriftlichen Beweisen stützten sich die Ermittlungen auf Zeugenaussagen ehemaliger Häftlinge, die oft mühsam aufgespürt werden mussten. Kurz vor Prozessbeginn flohen der Hauptangeklagte und ehemalige Lagerkommandant Hans Hermann Griem sowie der Kapo Martin Tenz aus der Internierungshaft. Am Ende standen im Hauptprozess nur drei Personen vor Gericht: zwei SS‐Männer und ein Kapo. Zwei Angeklagte wurden zu Gefängnisstrafen und einer wurde zum Tode verurteilt. Alle Angeklagten plädierten auf nicht schuldig. Sie lehnten jegliche Verantwortlichkeit ab und argumentierten, sie hätten stets auf Befehl gehandelt.

  1. Juristische Verfolgung 2:13
Station 18

Ermittlungen gegen Hans Hermann Griem

Der Lagerleiter Hans Hermann Griem konnte 1946 untertauchen. So entzog er sich sowohl einer Verurteilung durch ein britisches Militärgericht als auch einige Jahre später einer Anklage durch die Hamburger Staatsanwaltschaft.

1965 kam die Flensburger Staatsanwaltschaft Griem auf die Spur. Er lebte mittlerweile wieder unter seinem richtigen Namen in Hamburg‐Bergedorf, ganz in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelte daraufhin gegen Griem wegen verschiedener Tötungsdelikte in Außenlagern. Nach einem Vierteljahrhundert wurden Zeugen erneut befragt: ehemalige Häftlinge aus Deutschland, Dänemark, Frankreich und Polen sowie ehemalige Kapos. Am 25. Juni 1971 starb Hans Hermann Griem kurz vor Prozessbeginn und wurde darum nie verurteilt.

  1. Ermittlungen gegen Hans Hermann Griem 1:16
Station 19

Nachgeschichte des Lagers

Die Aufgabe von Gedenkstätten

Die ersten KZ‐Gedenkstätten entstanden bereits in den 1950er‐Jahren. Dabei ging die Initiative nahezu immer von ehemaligen KZ-Häftlingen aus. Sie forderten einen Ort, an dem sie den ermordeten Mithäftlingen gedenken konnten.

Ab Anfang der 1980er‐Jahre entstanden in vielen Städten Bürgerinitiativen aus Empörung über die vergessenen Orte des NS-Terrors. Sie setzten sich dafür ein, dass dort Gedenkstätten eingerichtet werden.

Heute übernehmen Gedenkstätten viele Funktionen. Sie sind mit ihren Ausstellungen Orte der Dokumentation und Information, sie sind Räume des Lernens und der Begegnung und sie sind nach wie vor Gedenkorte.

Das Lager nach der Räumung

Ende Dezember 1944 löste die Lager‐SS das KZ‐Außenlager Husum‐Schwesing auf und transportierte die kranken und nicht mehr arbeitsfähigen Häftlinge zurück in das Hauptlager Neuengamme. Wie viele von ihnen bis zur Befreiung des KZ durch die Truppen der britischen Alliierten am 3. Mai 1945 starben, ist nicht bekannt.

Nach einer vorübergehenden Nutzung als Flüchtlingslager geriet das Außenlager Husum‐Schwesing ab Anfang der 1960er‐Jahre vollständig in Vergessenheit. Auf dem Gelände befand sich bis in die 1990er‐Jahre ein privates Wohnhaus mit Pferdeweide. 1994 stellte der Kreis Nordfriesland die letzten baulichen Überreste des KZ-Außenlagers unter Denkmalschutz.

  1. Nachgeschichte des Lagers 2:01
Station 20

Die Entwicklung der Gedenkstätte

Anfang der 1980er‐Jahre konnte oder wollte sich niemand mehr an das KZ‐Außenlager Husum‐Schwesing erinnern. Aus Protest gründete sich die „Arbeitsgruppe zur Erforschung der Konzentrationslager in Nordfriesland“. Sie forschte zur Geschichte der Außenlager Husum‐Schwesing und Ladelund, nahm Kontakt zu ehemaligen Häftlingen auf und organisierte Veranstaltungen mit ihnen.

Die Erinnerung an die Opfer des KZ‐Außenlagers Husum‐Schwesing und die Aufarbeitung seiner Geschichte wurden unter anderem durch ihre Initiative als kulturpolitische Aufgabe etabliert.

Die Anregung der Überlebenden, hier eine Gedenkstätte einzurichten, führte nach langen Verhandlungen mit Kreis und Land schließlich 1987 zur Einweihung eines Mahnmals. Seitdem wird die Gedenkstätte schrittweise ausgebaut.

  1. Die Entwicklung der Gedenkstätte 1:09